Der erste Film aus den Göttinger Ateliers: „Liebe 47“
Nachdem am 21. August 1948 zur Eröffnung des Filmateliers die erste Szene zu „Liebe 47“ gedreht worden war, hatte diese Filmaufbau-Produktion am 7. März 1949 im Capitol in Göttingen ihre Premiere. Die Verfilmung des Theaterstücks „Draußen vor der Tür“ von Wolfgang Borchert sowie nach Motiven von Kurt J. Fischer war gleichzeitig auch der erste Beitrag zur so genannten „Göttinger Linie“, mit der die Produzenten Hans Abich und Rolf Thiele ein Zeichen gegen die Propaganda-Filme der Ufa setzen wollten. Regie führte Wolfgang Liebeneiner, der im Dritten Reich besagte Filme inszeniert hatte. Die Hauptrollen spielten Karl John, der in „Liebe 47“ als Heimkehrer Beckmann seine eindrucksvollste Darstellung zeigte – für Frank Wisbars „Hunde, wollt Ihr ewig leben?“ (1959) und „Fabrik der Offiziere“ (1960) stand er ebenfalls in Göttingen vor der Kamera –, und Liebeneiners Ehefrau Hilde Krahl, die 1949 für ihre Rolle als Anna Gehrke beim Internationalen Filmfestival von Locarno einen „Leopard“ als Beste Darstellerin erhielt. Der 118-minütige S/W-Film (bei 24 b/sec), gedreht in Hamburg, Göttingen und Umgebung – zu sehen sind hier u. a. die Albanikirche und der Güterbahnhof –, war für die Filmaufbau GmbH ein finanzielles Desaster, das schließlich im Verkauf des firmeneigenen Ateliers auf dem Göttinger Flugplatz endete. Erstverleih war die Panorama Film GmbH, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges von Berlin nach Göttingen umgezogen war. Die Prüfung des Films (Freigabe ab 16 Jahren) erfolgte noch unter alliierter Militärzensur im März 1949, da sich Niedersachsen vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland unter britischer Militärverwaltung befand. Die Musik stammt von Hans-Martin Majewski, der Mitte der 1950er-Jahre auch die Musik zu den „Immenhof“-Filmen komponierte. Regisseur Liebeneiner hatte ihn für „Liebe 47“ nach Göttingen geholt; unterstützt wurde er von seinen Mitarbeitern Martin Böttcher und Peter Sandloff, später selbst berühmte Filmkomponisten. Ihre erste Filmrolle nach dem Krieg (und ihre zweite überhaupt) spielte hier Inge Meysel als Betty aus Berlin.
Das „Lexikon des Internationalen Films“ schreibt:
„Ein bewegendes Drama nach Motiven von Borcherts ‚Draußen vor der Tür‘, das für die Verfilmung um eine Frauengestalt erweitert wurde. Die surreale, religiös-mystische Dimension der Vorlage erreicht der realistisch gestaltete Film nicht, doch Liebeneiner gelang einer der ernsthaftesten deutschen Nachkriegsfilme.“
© 2019 Sven Schreivogel