Auf Einladung des Journalisten und Heimatforschers Hans-Ulrich Krause aus dem nordrhein-westfälischen Varenholz war das Filmbüro-Team jetzt im Weserbergland unterwegs – zur Erkundung historischer Drehorte.

Filmexperte Krause hatte die Tour akribisch vorbereitet und wusste zu jeder Station Anekdoten und Wissenswertes zu berichten. Unterstützt wurde er dabei von Peter und Vera Varlemann vom Arbeitskreis Heimatgeschichte Varenholz sowie Regina Müller-Lipke aus Rinteln.

Morgens in der Frühe waren Sven Schreivogel und Alexander Siebrecht im heimischen Neu-Eichenberg gestartet, um mit dem befreundeten Historiker Tilman Bischof aus Rodenberg pünktlich am verabredeten Treffpunkt anzukommen. Erste Station war das Kerßenbrocksche Schloss in Barntrup. Dort traf die siebenköpfige Gruppe auf Schlossherrin Isi von Kerßenbrock-Krosigk, die es sich nicht nehmen ließ, das 1567 erbaute Herrenhaus im Stil der Weserrenaissance und den weitläufigen Park persönlich zu zeigen.

Das Schloss im Kreis Lippe war ab dem 12. August 1952 Hauptdrehort der Filmkomödie „Ferien vom Ich“ mit Rudolf Prack, einem der beliebtesten Leinwandstars der 1950er-Jahre, der sich selbst einmal als „Frauenheld wider Willen“ bezeichnet hatte. Produziert wurde der Streifen unter der Regie Hans Deppes von dessen H. D. Film GmbH (Berlin). Das Drehbuch schrieb Peter Francke, für die Bauten war Filmarchitekt Walter Haag verantwortlich. Uraufgeführt wurde der Film am 11. November 1952 im Göttinger Premierenkino Capitol.

Rudolf Prack spielte in der Komödie den amerikanischen Milliardär George B. Stefenson, der einen Herzanfall erleidet und sich auf ärztliches Anraten eine Auszeit nimmt. Er erwirbt das Gut Dornberg und arbeitet unter falschem Namen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb. In weiteren Rollen sind Marianne Hold, Willy Fritsch und Grethe Weiser zu sehen.

Paul Kellers Romanvorlage aus dem Jahr 1915 ist insgesamt dreimal verfilmt worden: erstmals 1934 vom selben Regisseur mit Außenaufnahmen in Bad Pyrmont und auf der Domäne Ohsen bei Hameln, 1963 noch einmal von Hans Grimm mit Außenaufnahmen im Salzkammergut (Bauten: Walter Haag). In diesem Remake wiederholte Grethe Weiser ihre Rolle aus der 1952er Verfilmung: als Schauspielerin „Käthe Greiser“.

„Der Drehort Schloss Barntrup ist ein gutes Beispiel dafür, wie weit der Radius um die Filmproduktion in Göttingen gezogen wurde“, erklärt Sven Schreivogel. „Das Einzugsgebiet für eine Motivsuche reichte nicht nur bis Kassel, Hannover oder in den Harz, sondern auch bis Ostwestfalen.“ In der Nähe des Schlosses liegt Gut Wierborn an der Emmer, ebenfalls ein Drehort des Films, der aus Zeitgründen aber nicht mehr besucht werden konnte. Die Tour führte auch zu Drehorten von Filmen, die nicht im Göttinger Atelier hergestellt worden sind. Stationen waren u. a. das Rittergut Exten („Die Brüder“, 1976), das Gut Dankersen („… und ewig bleibt die Liebe“, 1954), beides im Umland der Stadt Rinteln, und der Weserhafen in Vlotho („Zugvögel“, 1946).

Dies war übrigens nicht die erste Drehort-Erkundung außerhalb der Filmlandschaft Südniedersachsen: Tagesreisen hatten das Filmbüro-Team bereits im März 2020 nach Fulda („Königliche Hoheit“, 1953) und im August 2022 nach Lemgo („Der tolle Bomberg“, 1957) geführt. In Varenholz waren Schreivogel und Siebrecht erstmals im Oktober 2020 zu Gast. Den Kontakt dorthin hatte der Bodenfelder Filmsammler Manfred Baumgartner vermittelt. Auf Schloss Varenholz war von 1945-51 die Universum Film AG untergebracht. Damaliger Ufa-Chef war Hermann Schwerin, Lebensgefährte und späterer Ehemann der Schauspielerin Grethe Weiser.

INFO

In Göttingen hat Rudolf Prack (1905–1982) insgesamt sieben Filme gedreht. Neuesten Recherchen des Filmbüros zufolge sollen hier auch Nachaufnahmen zu „Wenn abends die Heide träumt“ (1952) gemacht worden sein; sollte sich dies bewahrheiten, wären es sogar acht Filme. Grethe Weiser (1903–1970) drehte sechsmal in den Göttinger Ateliers. Im modernsten Studiokomplex der jungen Bundesrepublik standen beide, Prack und Weiser, noch ein zweites Mal gemeinsam vor der Kamera: 1960 in „Die junge Sünderin“ mit Karin Baal in der Titelrolle.

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Seit August 2019 kümmert sich das Filmbüro Göttingen um die Aufarbeitung der südniedersächsischen Filmgeschichte. Auch der Werra-Meißner-Kreis in Nordhessen und das benachbarte Ostwestfalen lagen im Drehort-Radius der Göttinger Filmateliers, damals modernster Studiokomplex Deutschlands. Der Sitz des Filmbüros ist in Neu-Eichenberg.